Magie – zugegeben, das hört sich in der Zeit der digitalen Pixelwelten schon etwas oldschool an. Die analoge Fotografie mit Film und der Arbeit in der Dunkelkammer hatte davon gefühlt sicherlich mehr. Aber es hängt auch immer davon ab, wonach man in der Fotografie sucht, wenn man sich mit ihr beschäftigt, und was man als Magie versteht.
Allein die Tatsache, dass man einen unwiederbringlichen Moment in einem Bruchteil einer Sekunde in seiner Komplexität optisch festhalten kann, ist in meinen Augen fast schon Magie. Wie und in welchem Ausschnitt dieser Moment festgehalten wird, entscheidet jeder Fotograf ganz individuell. Denn in der kurzen Zeit der Aufnahme kommen zum Moment die Perspektive, Lichtführung und Komposition hinzu. Das Zusammenspiel aller Komponenten entscheidet dann darüber, ob ein Bild die Magie des Augenblicks zu vermitteln vermag.
Seit einigen Jahren bin ich mit meiner Kamera in Europas Metropolen unterwegs und jede Stadt ist so einzigartig wie Menschen es sind. Beim Erkunden bekomme ich ein ganz persönliches Gefühl für sie, ein subjektives Bild. Wie das aussieht, dabei spielt nicht nur das jetzt eine Rolle, sondern auch, welche Vorstellungen ich bereits in meinem Hinterkopf gespeichert habe – Geschichten von Freunden, Musik, Literatur und natürlich die Kunst – einfach alles.
Es geht mir darum, Dinge fest zu halten, die mich berühren – Geschichten, Momente, Stimmungen. Gestalterische oder inhaltliche Spannungen wahrnehmen und in einen Kontext setzen. Oft vielschichtig, nicht simpel, nicht plakativ. Die Bilder, die entstehen, sind Momentaufnahmen einer Geschichte, die im Moment der Aufnahme noch nicht zu Ende geschrieben ist. Und sie offenbart sich dem Betrachter manchmal erst auf den 2. Blick, aber das ist auch gut so.
Der Mensch ist bei mir oft Teil des Bildes, aber er ist nicht immer der Hauptakteur. Er steht für die Lebendigkeit des Ortes und lässt, selbst wenn er nur als Schatten auftritt, die Identifikation mit dem fühlbaren Augenblick zu. Das Individuum, der einzelne Mensch, ist bei mir nicht wichtig, der ist austauschbar. Er ist ein zufällig passender Statist. Ich habe kein Interesse daran, die Menschen in ihrem Umfeld zu porträtieren oder gar an Bloßstellung. Ich suche nach einer Geschichte in einem ideal von Licht und Gestaltung – und das im Bruchteil einer Sekunde. Ich mache keine Reportage, ich habe ein künstlerisches Interesse am Leben.
Ich habe mich vor einigen Jahren für meine künstlerische Schwarzweißfotografie bewußt für die Leica Monochrom entschieden. Natürlich gibt es viele digitale Kamerasysteme. Und natürlich
kann man mit allen Systemen gute Fotos machen. Aber das Gefühl von puristischer Schwarz-Weiß-Fotografie vermitteln sie nicht. Mit einer Leica M zu fotografieren heißt für mich in erster
Linie die Welt neu zu entdecken. Entdecken bedeutet dabei nicht das Studium irgendwelcher Fotolooks und automatischer Helferlein, sondern es bedeutet die Rückkehr zum energetischen Zentrum der
Fotografie – dem Sehen und Fühlen.
Eigentlich ist die M-Fotografie wie Bogenschießen ... Die Kamera ist das Gedächtnis eines besonderen Momentes. Bringe sie auf eine Linie mit dem Motiv, deinem Auge und dem Herzen – und löse aus.
In einer 60stel Sekunde entsteht dann ein Bild, welches mehr ist als ein perfekt gestaltetes Abbild.
So die Theorie. In der Realität bedeutet das Arbeit, viel Arbeit. Denn das besondere Bild macht sich rar, ist nicht vorhersehbar, lässt sich nicht planen. Es geschieht, wenn es geschehen soll, vor allem in der Street Photography.